Public Value im öffentlichen Sektor

Das Forschungsprogramm «Public Value Management»

Konzeptentwicklung «Public Value Management»…

Die Frage nach gesellschaftlichen Wertbeiträgen (Public Values) unternehmerischen Handelns steht im Mittelpunkt unserer Forschung. Folgende Aspekte charakterisieren unser Forschungsprogramm:

 

(A) In staatlichen Verwaltungen, Nonprofit-Organisationen und Profit-Unternehmen steht der gesellschaftliche Wertbeitrag infrage

Heute wird infrage gestellt, was den Erfolg unternehmerischer Tätigkeit in Wirtschaft, Staat und Zivilgesellschaft ausmacht. Solche Fragen sind so alt wie Organisationen selbst. Dennoch ist die Frage nach dem Erfolg dringend, weil sich die Bedingungen wesentlich verändert haben:

  • Staatliche Verwaltungen können sich nicht allein auf den politischen Auftrag berufen; sie werden auch von der Öffentlichkeit infrage gestellt.
  • Nonprofit-Organisationen können nicht allein auf ihre Mission referieren; Sponsoren wollen wissen, wofür sie ihr Geld geben.
  • Und Profit-Unternehmen müssen sich über den Gewinn hinaus um ihre Reputation kümmern.

Das Management aller Organisationen steht unseren Erachtens vor drei Herausforderungen:

  1. Der organisationale Erfolg muss verstärkt in nicht-messbaren Grössen beschrieben werden,
  2. ist ständig neu zu begründen und
  3. wird von „Stakeholdern der Stakeholder» in einem weiten Beziehungsnetz beeinflusst.

 

(B) Wertbeiträge finden im Kerngeschäft statt, nicht in zusätzlichen Aktivitäten

Vielfach ist es polemisch, wie die Diskussion über gesellschaftliche Verantwortung und Managergehälter in Profit-Unternehmen und die angeblich mangelnde Professionalität in Nonprofit-Organisationen und öffentlichen Verwaltungen geführt wird. In der Folge ist zu lesen, wie Führungskräfte das Vertrauen der Mitarbeitenden und der Öffentlichkeit verlieren. Die schwarz-weiss gezeichneten Bilder verdecken aber eine Realität: die faktische Leistung, die solche Organisationen für die Gesellschaft erbringen. Manche Führungskraft verteidigt ihr Handeln in Auseinandersetzungen über „gute Gesinnung», „Verantwortung» und „ethisches Verhalten». In solchen Diskussionen werden häufig das Leitbild, der „Gleichstellungsverantwortliche» oder die „Ethik-Beauftragte» ins Rampenlicht gestellt; und damit gesellschaftlich-soziale Leistungen bloss als „Zusatz» beschrieben, vom Kerngeschäft weit entfernt. Gesellschaftliche Verantwortung beginnt aber im Kerngeschäft. Deshalb ist die umfassende Betrachtung des gesellschaftlichen Wertbeitrags aus dem Kerngeschäft Ausgangspunkt unseres Forschungsprogramms.
  
 

(C) Ziel ist die Entwicklung einer Management-Methode zur Beschreibung und Bewertung gesellschaftlicher Wertbeiträge (Public Values) aus dem Kerngeschäft

Im Forschungsprogramm entwickeln wir eine Management-Methode, mit der Organisationen ihren gesellschaftlichen Wertbeitrag beschreiben, bewerten und – soweit möglich – steuern können. Diese Methode baut auf zwei konzeptionellen Bausteinen auf:

  1. In Anlehnung an das Konzept „Embeddedness» (Polanyi, DiMaggio) verstehen wir Organisationen als vielfältig in die Gesellschaft eingebettet. Organisationen in Wirtschaft, Staat und Bürgergesellschaft stehen deshalb immer im Dienste einer «funktionierenden Gesellschaft» (Peter Drucker) – nicht umgekehrt.
  2. In Anlehnung an die Wertphilosophie (Heyde) und an psychologische Diskurse unterscheiden vier Dimensionen, um Wertbeiträge von Organisationen in der Gesellschaft zu beschreiben: neben finanziellen auch sachlich-inhaltliche, moralisch-ethische, sozial-kommunikative und hedonistisch-ästhetische Wertkriterien.

 

(D) Die Public Value Methode unterscheidet sich von anderen Ansätzen

  • Die PV-Methode ist situationsorientiert, denn der Bewertungsmassstab gesellschaftlicher Beiträge lässt sich nicht generell formulieren, sondern nur in der konkreten Situation bestimmen.
  • Deshalb sind für die Gesellschaft geschaffene Werte ständig neu zu bestimmen und auszuhandeln.
  • In der Public Value Methode geht es folglich um die Strukturierung eines solchen Aushandlungsprozesses.
  • In diesem Prozess werden qualitative und quantiative Methoden integriert.
  • Betroffene im Umfeld werden am Aushandlungsprozess beteiligt.
  • Im Unterschied zum Stakeholderansatz geht es nicht bloss um direkt Betroffene, sondern und vor allem um „Stakeholder der Stakeholder» und damit um die breite Vernetzung von Organisationen mit ihrem Umfeld.
  • Die Methode ist auf eine Analyse des „Public Values» ausgerichtet, nicht auf eine irgendwie geartete gesellschaftliche Legitimierung.

 

(E) Der Public Value Ansatz wird mit empirischen Forschungsmethoden entwickelt

Auf Basis von wissenschaftlichen Vorarbeiten wurde eine Grundstruktur der Public Value Methode entwickelt. Diese Struktur besteht aus vier Schritten und dient zur Gestaltung mehrerer Fallstudien in Nonprofit-Organisationen und öffentlichen Verwaltungen; der Transfer der Ergebnisse auf Profit-Unternehmen ist in Planung. Die folgenden vier Schritte definieren die „unit of analysis» aller im Forschungsprogramm zu realisierenden Fallstudien:

  1. Wie lässt sich das gesellschaftliche Beziehungsnetz beschreiben, in das die Organisation eingebettet ist? a) Zunächst wird analysiert, im Netzwerk welcher Akteure die am Kerngeschäft Beteiligten agieren. In einer „Actor-Network-Analysis» werden Schlüsselpersonen, die direkt und indirekt mit dem Kerngeschäft verbunden sind, im Umfeld identifiziert. Mit diesen Personen wird ein Interview geführt. Die Interviewpartner werden nach weiteren relevanten Personen gefragt. Anschliessend interviewt man auch diese und befragt sie wiederum nach weiteren relevanten Personen. Auf diese Art wird das weit verzweigte soziale Netzwerk erschlossen, in welches das Kerngeschäft eingebunden ist. b) Nun wird jede der ermittelten Beziehungen zwischen allen Akteuren im Hinblick auf zwei Fragen bewertet: Welche Beziehungen im Netzwerk haben den grössten Einfluss auf die Reputation der Organisation? In welchen direkten und indirekten Beziehungen leistet die Organisation einen konkreten gesellschaftlichen Beitrag (Public Value)? In einem Workshop mit Vertretern der Organisation und Experten aus dem Beziehungsnetzwerk werden die Beziehungen bewertet und Schlüsselbeziehungen im Hinblick auf Reputation und gesellschaftlichen Wertbeitrag identifiziert.
  2. Welche Werte werden in den einzelnen Beziehungen generiert? Die zuvor als zentral identifizierten Beziehungen stehen jetzt im Fokus: die Beteiligten jeder Schlüsselbeziehung werden im Hinblick auf ihre Wertvorstellungen analysiert. Die Analyse erfolgt durch strukturierte Interviews (vgl. Wertwissensguide: Meynhardt 2004). Dabei werden weniger die direkt mit der Organisation im Kontakt stehenden Akteure befragt, wie es in einer Stakeholder-Analyse üblich ist. Vielmehr durchleuchtet man die „Stakeholder der Stakeholder» im Hinblick auf ihre Wertvorstellungen. Das Untersuchungsfeld ist also ein vielmaschiges Netzwerk. Zur Strukturierung der Analyse werden vier Werttypen unterschieden: sachlich-inhaltliche, moralisch-ethische, soziale und hedonistisch-ästhetische Werte. Das Ergebnis bilden statistische Werte und Narrationen – also Geschichten aus dem jeweiligen Kontext, die einen mehrdimensionalen Einblick in die Soziostruktur erlauben, in welche die Organisation eingebettet ist. Die Quintessenz stellt eine Datenbasis dar, die Einblicke in die Soziostruktur der jeweiligen lokalen Gesellschaft geben kann.
  3. Durch welchen Public Value Beitrag kann die Leistung und Reputation der Organisation nachhaltig gesichert werden? Auf Basis des Netzwerks (1. Schritt) und der Soziostruktur (2. Schritt) wird in einem moderierten Entscheidungsprozess der Public Value definiert, mit dem die Organisation aktuell den wesentlichen gesellschaftlichen Beitrag leistet. An diesem Prozess nehmen die Geschäftsleitung und – vor allem – Schlüsselpersonen aus dem Umfeld teil. Ergebnis ist die Identifikation und Beschreibung eines Feldes, in dem die Entwicklungsorganisation ihren „Core Public Value» in der Gesellschaft stiftet.
  4. Was ist aus Sicht der Gesellschaft der (zukünftige) „Core Public Value» der Organisation? Ausgangspunkt des vierten und letzten Schrittes ist das Ergebnis aus Schritt drei: der Public Value, mit dem der zentrale gesellschaftliche Wertbeitrag geleistet wird. Dieser Beitrag wird nun durch eine fokussierte Analyse geprüft. Dabei ist die Interpretation der Ergebnisse dieser Analyse im Hinblick auf das im ersten Schritt erstellte Beziehungsnetzwerk entscheidend. Unter anderen werden folgende Fragen beantwortet: Wird der identifizierte Core Public Value auch in den nächsten 3-5 Jahren zentral sein? Welche Massnahmen müssen ergriffen werden, um den zentralen Wertbeitrag zu pflegen und zu stärken? Das Resultat besteht in einem Aktionspaket für die strategische Planung, wobei die Public Value-Methode im Unterschied zu Strategieprozessen keine wettbewerbsbezogene Positionierung im Auge hat, sondern eine „normative Positionierung», verankert in „Core Public Values» bzw. in der Mission.

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